Phil Siemers

"Wer wenn nicht jetzt"

    Wer das zauberhafte Debütalbum des Hamburger Sängers Phil Siemers hört, vergisst dabei die leidige Frage, ob das denn nun Jazz, Soul oder Pop ist.

    Einer der wenigen Künstler, der zuletzt den Sprung vom Jazz in den Pop (und zurück) geschafft hat (was man dann Crossover nennt), war Max Mutzke: Er hat in Jazz-Ensembles gespielt, wurde von Stefan Raab für den Eurovision Song Contest entdeckt und ist heute auch wieder im Jazz-Kontext unterwegs. Nun schickt sich mit dem jungen Hamburger Sänger Phil Siemers ein weiterer Künstler an, diesen Sprung zu wagen. Interessanterweise gibt es sogar eine Querverbindung zu Max Mutzke: Denn Phil Siemers hat in der Vergangenheit häufig mit der Formation Soulounge gesungen, die auch bereits Max Mutzke begleitet hat.

    Nun sollte man beim Begriff Jazz nicht zusammenzucken. Denn wie alle Genrebezeichnungen deckt auch der Jazz heute ein großes Spektrum ab – es geht nicht immer um schräge Akkorde oder stundenlange Soli. Man denke etwa an den großartigen Sänger Gregory Porter, der sich wie nun Phil Siemers eher auf die gesangliche Soul-Jazz-Tradition bezieht. „Im Grunde genommen schreibe ich Popsongs, die Jazz und Soul atmen“, erläutert Phil Siemers, der in der Tat Soul-Größen wie Bill Withers und Donny Hathaway zu seinen Vorbildern zählt, seinen Ansatz. Dieses Crossover-Konzept kann man nun auf Siemers Debütalbum "Wer wenn nicht jetzt" überprüfen.

    So lassen die14 eindringlichen, aber zurückgenommen arrangierten Songs durchaus Assoziationen an Tim Bendzko oder Xavier Naidoo zu, deren Soul-Phrasierungen man auch beim Gesangsstil von Phil Siemers hören kann. Anders als bei besagten Kollegen ist bei Riemers, den man schon im Vorprogramm von Nena und Zaz oder bei großen Festivals wie dem Elbjazz sehen konnte, jedoch die Art und Weise, wie die Songs klingen. Die handgemachte Musik stammt von einer kleinen, aber feinen Band, die mit dezenten Gitarren, einem groovigen, aber songdienlichen Schlagzeug, gelegentlich Bläsern und vor allem mit sanften Piano-Klängen und warmen Fender-Rhodes-Sounds operiert.

    Herausgekommen sind dabei flotte Soul-Grooves wie "Schöne neue Welt", "Nicht mit dir, nicht ohne dich" oder "So gut", die immer auch einen hymnischen Schuss Gospel beigemischt haben. Aber auch ruhige Balladen, die mitunter völlig ohne Drums auskommen, wie "Ich geb’ dich nicht auf", "Moment lang Ewigkeit" oder "Frei" bestimmen die DNA des Albums, das letztlich aber von der sofort wiedererkennbaren Stimme von Phil Siemers geprägt ist. Die von Siemers (mit)-geschriebenen Texte machen ebenfalls einen Teil des Reizes aus, weil sie von persönlichen Liebesliedern bis zu hin zu politisch deutbaren Stücken reichen. So fragt Siemers in „Schöne neue Welt“ angesichts der digitalen Verlockungen „Ist der Preis nicht zu hoch?“ oder singt im Titelsong gegen Hass und Intoleranz an und stellt dabei fest: „Erst wenn wir es ändern, ändert es sich.“

    Und am Ende spielt es auch keine Rolle, ob man das nun Jazz, Pop, Soul oder was auch immer nennt. Es ist einfach ein bezauberndes Album, das einen mit seiner nuancenreichen Musikalität, einprägsamen Songs und einer erstaunlichen Stimme vom ersten bis letzten Song in Beschlag nimmt.

    Hier können Sie die CD „Wer wenn nicht jetzt“ von Phil Siemers direkt bestellen: